Drei Fragen an Lisa Feßler

Für die Anthologie The Only One in the World stellte mir Atlin Merrick von Clan Destine Press drei Fragen. Dies ist die deutsche Übersetzung des kurzen Interviews, das man hier im Original nachlesen kann. 

1. Was war das Interessanteste, das du beim Schreiben der Kurzgeschichte recherchiert hast?

Das ist ganz klar die „Distanzradfahrt“ von Wien nach Berlin Ende Juni 1893. Ich hätte nicht erwartet, dass im späten 19. Jahrhundert schon so ein Fahrradrennen stattgefunden hat. Radfahren galt damals als eine verrückte neue Mode für die Reichen. Offizieren der preußischen Armee war es verboten, mit einem Fahrrad zu fahren. Die Distanzradfahrt wurde organisiert, um zu beweisen, dass man mit einem Fahrrad schneller war als ein reitender Offizier. Das Rennen war das größte Straßenrennen in Deutschland und Österreich vor dem 1. Weltkrieg. Nur Männer durften daran teilnehmen, das Startgeld betrug zehn Mark. Die Strecke war 582,5 Kilometer lang.

Einer der Favoriten hatte angeblich 16 „Schrittmacher“ als Mitfahrer, die ihn zu Höchstleistung antreiben sollten. Der Gewinner war ein Josef Fischer aus München. Er fuhr die Strecke in etwas über 31 Stunden, ein Reiter hätte 72 Stunden dafür benötigt.


2. Was hat dir beim Schreiben deiner Geschichte für The Only One in the World am meisten Spaß gemacht?

Ich hatte viel Spaß daran, deutsche Entsprechungen für die typisch britischen Dinge zu finden, die die Welt und überhaupt die Figur Sherlock Holmes ausmachen: London, 221b Baker Street, die Haushälterin Mrs Hudson, der Deerstalker – in meiner Geschichte wurde daraus Berlin, die Sophienstraße 21b, Frau Huber und ein Tirolerhut.


3. Was siehst du als das typisch Deutsche an deinem Holmes und/oder Watson?

Mein deutscher Holms orientiert sich stark an seinem britischen Original. Aber die Liebe und Bewunderung von Johann Watson für die Bücher von Karl May – das ist typisch Deutsch: nicht, dass auch der britische Watson nicht gerne läse, sondern dass er Karl May liest. Karl May gehört auch heute noch zu den populärsten Schriftstellern in Deutschland, er schrieb fiktionale Reiseabenteuer, die in Nordamerika und dem Nahen Osten spielen, mit einem Ich-Erzähler, der „Karl May“ heißt. Mays Ruf ist umstritten in Deutschland, er wird oft als Jugend- und Jungsliteratur ohne großen literarischen Wert abgetan. Ich bin da anderer Meinung, und es hat wirklich Spaß gemacht, Karl May – diesen urdeutschen Autor – mit einem Fall für Sherlock Holms in der Geschichte auftauchen zu lassen.